Graue Maus mit falscher Maske

11 Minuten

LG X cam Testbericht auf inside-digital.de
Bildquelle: Michael Stupp / inside-digital.de

Im Kern-Testzeitraum von fünf Sunden wird das Handy fast permanent auf Trab gehalten, es werden Video und Musik gestreamt, Apps ausgeführt, telefoniert und die Performance per Benchmark-Test und subjektivem Empfinden bewertet. LG bewirbt das X cam mit einer Dual-Kamera, die Weitwinkel-Aufnahmen mit 120 Grad knipsen können soll. Daher wird dieser Aspekt im Test genauer beleuchtet.

Verarbeitung und Design

Mit nur 120 Gramm Gewicht ist das LG X cam ein Leichtgewicht unter den Smartphones. Verantwortlich dafür zeichnet neben dem relativ kleinen Akku auch die Materialwahl, die hier auf Kunststoff gefallen ist. Metallische Elemente im Rahmen können den recht billigen Eindruck nicht verbessern, im Gegenteil: Insbesondere die Verarbeitung der seitlichen Rahmen-Inserts fällt durch Falzen und ungenaue Einpassung negativ auf.

Für große Hände ist die Haptik des Smartphones bei einhändiger Bedienung ordentlich, zierlichere Personen werden jedoch nicht jeden Punkt des 5,2 Zoll großen Displays erreichen ohne die zweite Hand zu Hilfe zu nehmen.

Hands-On LG X cam

Direkt ins Auge springt das großzügige Kamera-Modul auf der Rückseite des Smartphones. Durch die Verwendung einer Weitwinkel-Dual-Kamera mit dediziertem LED-Blitz, ist das Bauteil, das die Komponenten vereint, vergleichsweise groß und ragt zudem etwas aus dem Gehäuse heraus. Angenehm auf die Haptik wirkt sich die geringe Dicke des Smartphones aus. Die zu allen Seiten abgerundete Rückseite bildet eine handschmeichelnde Opposition zu den härteren Displaykanten.

Der gute Ansatz des flachen, gerundeten Corpus wird durch die Materialwahl und die Verarbeitung wieder relativiert. Alles in allem überwiegt das Gefühl, mit dem LG X cam ein wenig wertvolles Gerät in Händen zu halten, was im Kontext des zu zahlenden Preises enttäuscht.

Bewertung: 3 von 5

Display

Die Anzeige des LG X cam misst in der Diagonalen 5,2 Zoll, technologisch kommt TFT zum Einsatz. Die Auflösung beträgt 1.080 x 1.920 Pixel, auch als Full HD bekannt. Je Zoll werden damit 423 Pixel angezeigt.

Im Test präsentiert sich das Display als farbenfroh, wenngleich es einen leichten Hang zu kalter Darstellung gibt. Leider mangelt es dem LG X cam an Einstellungsmöglichkeiten, mit denen die Displaydarstellung nach Wunsch gestaltet werden kann. Neben der stufenlosen Helligkeitseinstellung gibt es nur noch die Möglichkeit, das Display in einen Lesemodus zu schalten, bei dem Blauwerte herausgefiltert werden. Das macht die Anzeige besonders in dunkler Umgebung augenfreundlicher.

Der maximale Helligkeitswert des Smartphones geht mit der automatischen Helligkeitsregelung einher und ist als gut zu bezeichnen. Auch bei Sonneneinstrahlung konnten die Inhalte auf dem Display ohne große Mühe erkannt werden.

Das Display des LG X cam verrichtet seinen Dienst nach Vorschrift, zeigt sich farbenfroh, groß und in der Darstellung etwas abgekühlt. Es fehlt jedoch beinahe gänzlich an Möglichkeiten zur Modifizierung. Aktuelle Standards wie Full-HD-Auflösung werden eingehalten, allerdings wird wenig weitergedacht.

Bewertung: 3,5 von 5

Ausstattung und Leistung

Im LG X cam arbeitet ein MediaTek-Prozessor der Serie MT6753. Seine acht Kerne bringen auf dem Papier eine Leistung von 1,14 GHz. Im Kontext handelt es sich somit um einen Prozessor der (maximal gehobenen) Einsteigerklasse, dessen Ergebnis im AnTuTu-Benchmark-Test (33.354 Punkte) auf einem Level mit Sonys Xperia E5 und dem TP-Link Neffos C5 liegt.

In der Menüführung gibt es bei der Performance kaum etwas zu beanstanden; wird der Prozessor jedoch etwas mehr beansprucht, zeigen sich Defizite. So gehört das halbstündige Spielen eines 3D-Spiels (hier: Asphalt 8: Airborne) zum Teststandard der inside-digital.de-Redaktion, während sehr viele Geräte – auch aus der Einsteiger-Klasse – ein flüssiges Spielerlebnis zu Stande bringen können, ruckelt dies beim LG X cam merklich. Eine damit einhergehende starke Hitzeentwicklung ist allerdings nicht zu bemerken.

Verbindungsmöglichkeiten des LG X cam

Feature Vorhanden Funktion

HSPA

▲  Erweiterung des Mobilfunkstandards UMTS, Down-max. 21 Mbit/s
HSPA+ ▲  Erweiterung des Mobilfunkstandards UMTS, Down-max. 42 Mbit/s
LTE ▲  Mobilfunkstandard, Down-max 150 Mbit/s
USBOTG ▲  Ermöglicht den Anschluss externer Geräte wie USB-Sticks, Festplatten oder Tastaturen
DLNA ▲  Standard zu kabellosen Übertragung von Medieninhalten, zum Beispiel auf einen Fernseher
NFC ▲  Ermöglicht eine Bluetooth-Verbindung zu einem anderen Gerät durch kurzes Berühren
Kabellose Display-Übertragung ▼  Ermöglicht das kabellose Teilen der Anzeige mit einem anderem Gerät (z.B. Miracast/AirPlay/Google Cast)
MHL ▼  Erlaubt die kabelgebundene Verbindung über die Micro-USB-Schnittstelle zu einem HDMI-Port
Infrarot-Fernbedienung ▼  Ermöglicht den Einsatz als Universal-Fernbedienung
Bluetooth-Version ▲  4.2
WLAN-Standards ▲  802.11 a/b/g/n
Qi ▼  Ermöglicht das kabellose Laden des Smartphones
Dual-SIM ▼  Ermöglicht den Betrieb von zwei SIM-Karten parallel

Ein Test-Telefonat lief ohne negative Beobachtungen ab – bis die Freisprecheinrichtung eingeschaltet wurde. Durch den eher mäßig begabten Lautsprecher sinkt die Gesprächsqualität drastisch. Es bedarf einiges an Konzentration, um aus viel Rauschen noch einen Rest Sprache herauszufiltern. Auf der Gegenseite, einem Festnetztelefon, wurden die Beobachtungen auch mikrofonseitig bestätigt, die klassische Variante ist deutlich besser als die Freisprecheinrichtung.

Die Ausstattung bewegt sich auf dem Niveau der oberen Einsteiger-Klasse. Allerdings hakt es hier und da in der Performance, was auf diesem Niveau schon für Abzüge sorgt. Beim Telefonieren setzt Kritik vor allem an dem Punkt an, an dem es um Lautsprecher, Mikrofon und kurze Distanz geht.

Bewertung: 3 von 5

Kamera

Das Herzstück des LG X cam ist die Kamera. Wie der Name schon vermuten lässt, legt LG bei dem Smartphone besonders viel Wert auf die integrierte Digitalkamera. Technisch kommt ein Dual-Kamera-System mit 13 und 5 Megapixeln mit einer f/2.0-Blende zum Einsatz. Im Zusammenspiel der Komponenten sollen die Bilder vor allem durch einen besonders weiten Winkel bestechen; dieser Eindruck konnte im Test zumindest nachvollzogen werden.

Woran die Kamera jedoch krankt, ist der eigene Anspruch. Ein Handy, das großspurig als X cam angepriesen wird, sollte in der heutigen Zeit den Anschein erwecken, einer Kompaktkamera Paroli zu bieten. Beim LG X cam ist dies nicht der Fall. Die Bilder rauschen und es fehlt an einem Bildstabilisator, der das Foto-Ergebnis abrunden würde.

Ein Schnappschuss ist zwar schnell gemacht, für das Hochglanzalbum eignen sich die Bilder aber nicht – hier sollte zu alternativen Kameras gegriffen werden. Womit die Kamera im X cam allerdings punkten kann, ist der lichtstarke LED-Blitz und einige Foto-Gimmicks, die durch die Dual-Kamera zum Tragen kommen: So kann man im Pop-out-Modus unter anderem eine Fischauge-Einstellung verwenden.

Kameramenü des LG X cam
Bildquelle: Michael Stupp / inside-digital.de

Je nach Anspruch kann auch die Kamera-App als solche gefallen: Die Oberfläche ist sehr schlicht und in den einzelnen Modi – zur Auswahl stehen Panorama, Pop-out und Automatisch – können die zur Verfügung stehenden Funktionen mit einfachem Tippen aktiviert und deaktiviert werden. Nicht nur Hobby-Fotografen dürften allerdings auch bemängeln, dass per se kaum Einstellungsmöglichkeiten vorhanden sind.

Die Frontkamera löst mit 8 Megapixeln auf und gehört damit zu den nummerisch größeren ihrer Art. In Sachen Qualität steht sie ihrem Pendant auf der Rückseite allerdings in wenig nach – für Schnappschüsse okay, sie versagt jedoch am eigenen Anspruch.

Hoch gepokert – tief gefallen. Die Kamera des LG X cam ist alles andere als ein Prunkstück. Hätte LG das Gerät einfach als LG X ohne „cam“ angekündigt, würde das Mecker-Echo möglicherweise kleiner ausfallen. Alleine der Einsatz einer Dual-Kamera macht hier allerdings noch lange keinen guten Handy-Fotoapparat aus.

Bwertungen: 3 von 5

Software und Multimedia

Das Betriebssystem, das LG dem X cam zugrunde legt, basiert auf Android 6.0.1, der zum Zeitpunkt der Vorstellung aktuellsten Version des Google-Systems. Die eigene Benutzeroberfläche hat LG schlank gehalten und so bietet man dem Nutzer nur das nötigste an Einstellungsmöglichkeiten.

Bei den vorinstallierten Apps versucht LG tunlichst, eine Dopplung mit den vorgegebenen Google-Apps zu vermeiden. Lediglich eine E-Mail- und eine Musik-App finden sich sowohl von LG als auch von Google auf dem Gerät. Neben Google sind Facebook und Instagram die einzigen kommerziellen Apps, die die so genannte Bloatware repräsentieren und vorinstalliert sind.

Benutzeroberfläche des LG X cam
Bildquelle: Michael Stupp / inside-digital.de

Die Musik-App von LG hat gegenüber dem Google Pendant Google Play Music den Vorteil, dass nicht an jeder Ecke versucht wird, ein Abonnement zu verkaufen. Außerdem verfügt sie über einen Equalizer, was Audio-Bastler häufig wertschätzen. Entgegen der guten Ausstattung in diesem Bereich gibt der Lautsprecher auf der Rückseite des Gerätes vor allen Dingen einen blechernen Sound ab und erinnert eher an zu laut eingestellte Kopfhörer.

Ein UKW-Radio ist löblich zu erwähnen mit an Bord, außerdem befindet sich eine Benachrichtigungs-LED-Leuchte neben der Selfie-Kamera und macht auf eingegangene Push-Benachrichtigungen auch bei ausgeschaltetem Display aufmerksam.

Das Software-Paket des LG X cam, angefangen beim Android-System, verdient die Notoe „befriedigend“. Die grundlegenden Apps sind vorhanden, weitere können nach eigenen Vorlieben hinzugefügt werden. Das war es aber auch schon mit der Personalisierbarkeit. Die Oberfläche ist schlank und beliebig, insgesamt kein großer Wurf. Für den nimmermüden Einsatz LGs pro UKW-Radios gibt es Pluspunkte.

Bewertung: 3,5 von 5

Akku

Der Energiespeicher des LG X cam ist mit 2.500 mAh nicht ganz so aufgebohrt wie jener des Bruders LG X power. Allerdings kommt man auch mit dem LG X cam problemlos über einen Tag, wenn nicht zwei. Grafiklastige Anwendungen sollten dabei jedoch tunlichst vermieden werden – hierbei kann man dem Ladebalken beim Schrumpfen zugucken. Sonstige Anwendungen stellen das Smartphone jedoch vor keine allzu großen Herausforderungen, wenn es darum geht mit dem Strom hauszuhalten.

Nach fünf Stunden intensiver Nutzung zeigte die Anzeige immer noch knapp 60 Prozent Kapazität an, in den Intervallen ohne große Beanspruchung verlor das Smartphone nur sehr wenig Energie. Leider ist der Akku, im Gegensatz zu dem in LGs Flaggschiffen, fest verbaut und nicht wechselbar. Eine Schnellladefunktion findet sich ebenfalls nicht.

Vielleicht der heimlich Star des Smartphones: Der Akku hält mit der ihm zur Verfügung stehenden Energie gut haus und lässt das Smartphone – vermeidet man intensive Grafikanwendungen – langlebig erscheinen. Dennoch steht der Energiespeicher Serien-intern im Schatten des 4.100-mAh-Akkus des LG X power.

Bewertung: 4 von 5 

Fazit

Das LG X cam führt LGs X-Serie an. Auf dem Datenblatt ist es technisch etwas höherwertiger ausgestattet als beispielsweise sein Bruder X power. Allerdings schafft es das LG X cam nicht, seinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Im Vergleich zum X power, dessen Akku Topwerte aufweist, schafft es das X cam eben nicht, die Testwertung mit einer wie beworben guten Kamera hoch zu katapultieren. Tatsächlich ist das LG X cam die graue Maus unter den Smartphones – allerdings eine graue Maus für 300 Euro.

LG X cam Testsiegel

Gesamtwertung: 3 von 5 (~64 Prozent)

Pros des LG X cam

  • Ordentlicher Akku
  • Schlanke Bedienoberfläche
  • angenehm flache Haptik

Contras des LG X cam

  • Zerschellt am eigenen Kamera-Anspruch
  • schlechte Grafik-Performance
  • Blecherner Sound

Preis-Leistung

300 Euro veranschlagt LG selbst für das X cam. Der Preis passt bei weitem nicht mehr in die Einsteiger-Klasse in der das Handy anzusiedeln ist; so muss in diesem Punkt konstatiert werden, dass das LG X cam ein teurer Nicht-Spaß sein kann. Entschärfend sei hier jedoch auch erwähnt, dass  der Straßenpreis für das Gerät mittlerweile deutlich unter dem liegt, was der Hersteller empfiehlt.

Alternativen

In diesem Punkt muss mit mehrerlei Maß gemessen werden: Will man – wie es das LG S cam den Anspruch erhebt zu sein – ein gutes Kamera-Handy, ist man in einem höheren Preissegment besser aufgehoben. In der Oberklasse machen fast alle Smartphones Fotos, die eine ansprechende Qualität mitbringen. Sonder-Auszeichnungen für die Kamera vergab die Redaktion von inside-digital.de in diesem Jahr beispielsweise an das Samsung Galaxy S7 edge . Die Leica-Kamera des Huawei P9 wurde ebenfalls als hervorragend eingestuft, im Vergleich zum Samsung-Flaggschiff ist es zudem ein paar Euro günstiger. Mit Kodak hat sich ein weiterer ausgewisener Foto-Spezialist auf den Smartphone-Markt gewagt. Das neue Modell Kodak Ektra ist sogar in Deutschland erhältlich.

Ist man auf der Suche nach guten Handys im Preissegment rund um das LG X cam, empfiehlt sich ein Blick in die folgenden Magazin-Artikel auf inside-digital.de:

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